“In fact, you could almost say that we live again in a two-superpower world. There is the U.S. – and there is Moody`s. The U.S. can destroy a country by leveling it with bombs; Moody´s can destroy a country by downgrading its bonds“ (Faktisch gibt es auf der Welt wieder zwei Supermächte. Die USA können dich durch den Abwurf von Bomben zerstören, Moody's zerstört dich durch eine Herabstufung der Bonität der Staatsanleihen) schrieb der US-Journalist und 3-fache Pulitzerpreisträger, Thomas Friedman, 1995 in der N.Y.Times.
Who is the BOSS?
Schon 1995 zeigte die Ratingagentur Moody`s der kanadischen Regierung, wo die Macht liegt! Sie beurteilte die Budgetkürzungen der kanadischen Regierung als „unzureichend“, was unmittelbar zu massiven Verkäufen von kanadischen Staatsanleihen und in weiterer Folge zu einem Kurssturz des kanadischen Dollars im Vergleich zum US-Dollar auf nur mehr 70 Cent, führte. Dies veranlasste den Chef der Reformpartei, Preston Manning, zur folgenden Aussage gegenüber dem kanadischen Parlament: “When one of the world`s largest bond-rating agencies won`t wait two weeks to get the minister`s budget, they are telling him, that his targets are not only unbelievable, they are UNACCEPTABLE to the MARKETS”. (Wenn eine der weltweit größten Kredit-Rating-Agenturen nicht zwei Wochen zuwartet, das Budget des Ministers zu erhalten, sagen sie ihm damit, dass seine Ziele nicht nur unglaubwürdig - sondern unannehmbar für die Märkte sind). Den Artikel über die Allmacht der Ratingagenturen schloss Thomas Friedman indem er ein Graffiti auf einer polnischen Mauer neu interpretierte:
“We wanted democracy but we ended up with capitalism.” I would refine to say: ”We wanted a parliament, but we ended up with the bond market”.
Die „mafiösen Strukturen“ der Ratingagenturen
Nach der Schockstarre, die die Finanzkrise 2008 auslöste, wurden sie im neuen Finanzmarktregulierungsgesetz der USA ursprünglich als „Experten“ eingestuft. Dies hätte eine umfassende Haftung für ihre Beurteilungen bedeutet – vergleichbar mit jener der Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Aber was wäre die (korrupte?) Welt ohne den Einfluss der Finanzoligarchie und ihre mit „Pay-Checks“ durch die Welt der Abgeordneten ziehenden Lobbyisten! Nach intensiven Verhandlungen war vom Expertenstatus der Ratingagenturen im Gesetz keine Rede mehr – d.h. all ihre Urteile und Befunde sind NUR „simple Meinungsäußerungen“! In den Befunden von Fitch liest sich das dann so:
„Die Noten sind Meinungsäußerungen, die keine statistische Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls beinhalten“.
Abgesehen davon, dass man ein Risiko (besser Unsicherheit) nicht berechnen kann, stellt sich die Frage, wieso die Politiker sich ihre Entscheidungen diktieren lassen und warum man dieser fiktiven Macht der Meinungen nicht mit einem Gesetz, dass diesen „keine Bedeutung“ beizumessen ist, ein Ende bereitet? Wolfgang Hetzer, Autor des Buches „Finanzmafia“ und oberster Korruptionsjäger der EU-Behörde OLAF, bringt es auf den Punkt: „Der US-Kongress konstatiert in seinem aktuellen Bericht, dass zum Teil bewusst gute Ratings vergeben wurden, um keine Kunden zu verlieren. Das ist ja nahezu ein perfektes Beispiel für organisierte Kriminalität“. (FORMAT 25, 2011, Seite 34).
Hoheitliche Macht durch ein jahrzehntelang geschütztes Monopol
Es mutet schon wie ein schlechter Scherz aus Absurdistan an, wenn gerade die Ratingagenturen über die Wettbewerbsfähigkeit von Staaten (mal davon abgesehen, dass ein Wettbewerb zwischen Staaten nur die Spitze des ökonomischen Unfugs der „neoliberalen Religion“ ist, da Staaten eben nicht auf Gewinn oder gar ROI (Return on Investment) auszurichten sind!), Banken und Konzerne befinden – und sie sich selber (wie eine fette Made im Speck) in ihrem wohlfeil hergerichteten Oligopol sonnen.
1909 kam John Moody auf die Idee, die Finanzkraft der Eisenbahnkonzerne zu analysieren, weil große Unsicherheit ob deren Bonität bei potentiellen Investoren gegeben war. Er gab den Anleihen einfache Buchstabennoten – und das weltweite Rating war erfunden. Bis heute ist dies das Kerngeschäft der drei weltweit als MONOPOL agierenden Unternehmen! Die drei Unternehmen - Moody`s, Standard & Poor`s und Fitch – kontrollieren 90 % des Weltmarktes. Moody`s machte 2011 ca. 2,3 Mrd. US-Dollar Gewinn – mit nur etwas mehr als 6000 Beschäftigten. Sie analysieren ca. 11.000 Unternehmen in mehr als 100 Ländern als auch zahlreiche Staaten und fast 100.000 hochkomplexe Finanzprodukte. Böse Zungen behaupten, dass sie diese oft selbst nicht verstehen – was durch die AAA-Ratings für x-Finanzprodukte und Unternehmen (Lehman & Brothers z.B.) bestätigt wird, die trotz (oder genau wegen?) der besten Bewertung mit Saus & Braus in die Pleite schlitterten. Letztendlich waren sie der Hauptauslöser und Brandbeschleuniger der Finanzkrise 2008.
Gesetzlich muss jedes Unternehmen, das an der Börse eine Anleihe begeben will, ein „Rating“ aufweisen – anders gesagt: Es ist ein krisensicheres MUSS-GESCHÄFT! Herr Hetzer (siehe oben) wies völlig zurecht auf die „mafiösen Geschäftsstrukturen“ hin, denn ein GUTachten bewirkt, dass ...
JA, wir kennen die Folgen dieses perfiden Spieles!
„Killt“ die US-Richterin das Geschäftsmodell?
Den bizarren Zusammenhang, dass auf der einen Seite die Ratingagenturen eine weltumfassende HOHEITLICHE MACHT ausüben – und andererseits nicht mal als „Experten“ gelten (um damit ihre eigene Haftung auszuschließen?!), will nun die US-Richterin Shira Scheindlin aufbrechen! Gelingt ihr dies, könnten die darauf folgenden Schadensersatzklagen in Zig-Mrd. Höhe, die Agenturen in den Konkurs treiben (meinte der Rechtsprofessor der Columbia Universität, John Coffee). .
Ungeachtet der Mrd.-Verluste, die durch die eklatanten „Fehlbewertungen“ der Agenturen den Investoren bisher entstanden sind, kamen sie immer vor Gericht ungeschoren davon. Dies hat zwei Gründe:
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die Eigenverantwortlichkeit der Anleger, die dem Urteil/der Meinung nicht folgen müssen
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das Recht der Agenturen auf „freie Meinungsäußerung“, das im ersten Verfassungszusatz von 1791 festgeschrieben ist und – nicht nur in den USA – zu den höchsten Rechtsgütern überhaupt gehört. Aus diesem Grund wandten einige Richter sogar den „Actual-Malice-Standard“ an, der besagt, dass die Redefreiheit jede Meinung abdeckt, solange sie nicht ... wider besseres Wissen ... geäußert wird. Genau dies zu beweisen, ist bisher noch keinem Investor gelungen!
Shira Scheindlin: eine Frau mit Rückgrat und Zivilcourage
Sie stellt genau diese jahrzehntelang geübte Rechtsprechung (konkret anhand einer Klage von 15 Investoren gegen Moody`s und S&P, wobei im August 2007 trotz bester Ratingnoten ein Investmentvehikel kollabierte) in Frage. Die Richterin argumentiert, dass durch die Bewertung eine Agentur damit zum Ausdruck bringe, dass sich ihre Benotung auf Basis einer zugrunde gelegten Datenanalyse mit „faktenbasierten Schlussfolgerung" stütze.
Anders gesagt: Es handle sich um eine geprüfte Tatsache!
Dies hebt das Urteil der Ratingagenturen weit über die bisher von den Richtern zugeordnete „freie Meinungsäußerung“ auf dem Niveau eines Zeitungskommentars oder der Ansicht eines Restaurantführers hinaus, was immense Auswirkungen von möglichen Schadensersatzansprüchen von Seiten der Geschädigten nach sich ziehen könnte.
Gleichwohl die US-Richterin bisher eine Außenseitermeinung vertritt, ist der Weg bis zur endgültigen Rechtsklärung (die allmächtigen Unternehmen werden alle juristischen Register und Mittel einsetzen, um ihr Monopol und ihre Existenz weiterhin abzusichern) noch ein sehr steiniger. Das definitive Schicksal – ob die Meinungsäußerungen der Ratingagenturen, die immensen Schaden weltweit anrichteten, auch „marktkonforme Haftungen“ nach sich ziehen – wird sicher erst vor dem Supreme Court entschieden werden.
Frau Scheindlin eilt ein gewisser Ruf voraus und sie ist Gegenwind seit Jahren gewöhnt. Sie wurde 1996 von Bill Clinton zur Richterin in New York ernannt und hat den berüchtigten russischen Waffenhändler, Victor Bout, 25 Jahre Gefängnis aufgebrummt. Sie bewahrte Joanne K. Rowling vor millionenschweren Plagiatsklagen und hat auch genug Erfahrung mit mächtigen Finanzkonzernen: Sie verdonnerte die UBS im Jahr 2005 zu einer Strafe von 29 Mio. US-Dollar wegen der Diskriminierung einer Mitarbeiterin!
Kühe ... als Basis für die AAA-Bewertung?
„Die Presse“ von heute berichtet über dem Gericht vorliegende Details, die die Chancen der Kläger auf Schadensersatz gewaltig erhöhen dürften. Das kurze Gespräch zwischen zwei Mitarbeitern von Standard & Poor`s (via Instant-Messaging-Dienst) spiegelt nur die Erfahrungen wider, die schon 2008 tiefen Einblick in die Qualität der „Ratings“ gaben! Seither hat sich nichts geändert:
Der Dialog:
Analyst A: „Der Deal ist lächerlich, wir sollten ihn nicht bewerten.“
Analyst B: „Wir bewerten jeden Deal.“
Analyst A: „Der Deal könnte von Kühen strukturiert werden, und wir würden ihn trotzdem bewerten.“
Noch Fragen?