Wie bereits im Frühjahr und Sommer berichtet, verhandeln die USA mit einigen Pazifik-Anrainerstaaten über ein neues Anti-Piraterie-Abkommen, das Trans-Pacific Partnership (TPP). Der jüngste Leak zu diesem hinter verschlossenen Türen verhandelten Abkommen bestätigt neuerlich die schlimmsten Befürchtungen der Kritiker:
TPP, der "Sohn von ACTA", soll die USA und andere Länder dazu verpflichten, den Datenschutz, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf ein ordentliches Verfahren zugunsten einer leichteren Durchsetzung von Urheberrechten über Bord zu werfen. So bringt der Autor und Blogger Cory Doctorow auf BoingBoing die neuesten Analyseergebnisse der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation auf den Punkt.
Denn laut EFF-Analyse sieht Artikel 16.3. des TPP-Abkommens eine Form der Providerhaftung vor, die über bestehende Bestimmungen (den Digital Millenium Copyright Act, DMCA) und die aktuelle Rechtsprechung in den USA sowie auch über die Bestimmungen von ACTA hinausgeht. Es öffne die Tür für:
- ein Three-Strikes-Modell, wonach Internetanbieter dazu verpflichtet werden, ihren Kunden den Anschluss zu kappen, wenn diese wiederholt der Urheberrechtsverletzung beschuldigt wurden
- eine Verpflichtung für Internetanbieter, die gesamte Internet-Kommunikationen auf mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht hin zu überwachen
- die Verpflichtung für Internetanbieter, den Zugang zu Webseiten zu sperren, die angeblich gegen das Urheberrecht verstoßen oder solche Verstöße ermöglichen
- Vorstöße, die Internetanbieter dazu zu nötigen, die Identität ihrer Kunden auf Zuruf von Rechteinhabern preiszugeben
Dem nicht genug, seien auch noch weitere Nebenabsprachen (sogen. "side-letters") vorgesehen, wonach Rechteinhaber auf der Löschung von Inhalten aus dem Internet bestehen könnten. Ein derart strenges "Notice & Takedown"-Regime soll Chile bereits im Jahre 2004 – im Zuge bilateraler Verhandlungen mit den USA – abgelehnt und später ein wesentlich ausgeglicheneres Takedown-Verfahren umgesetzt haben.
Nun sollen mit dem TPP neuerlich erwiesenermaßen ineffiziente Modelle – vergleichbar dem Hadopi-Gesetz in Frankreich oder dem DMCA in den Vereinigten Staaten – mit unerwünschten Nebeneffekten propagiert werden, anstatt rechtsstaatliche Verfahren und die Einbeziehung eines Gerichts zu sicherzustellen.
Die Bürgerrechtler von EFF betonen in ihrer Ausführungen, nicht die einzigen zu sein, die in dem neuen TPP-Abkommen eine Bedrohung der Internetfreiheit sehen. Sowohl der UN-Sonderberichterstatter für Meinungs- und Redefreiheit, Frank La Rue, als auch der Europäische Gerichtshof vertrete ebenfalls diese Auffassung.
Nicht zuletzt sollte Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bei der Ausarbeitung des Trans-Pacific Partnership nicht vergessen werden: "Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." [unwatched / EFF]
Bild: EFF